German Version
Der Trommler
von Ruth Melcher
Als meine Eltern in den 20iger, 30iger und Anfang der 40iger Jahre jung waren, hatten ihre Dörfer noch Trommler, die durch die Gassen gingen, mit den Neuigkeiten, aus dem Gemeindehaus. Im Beschka, Jugoslavien, das Dorf meiner Mutter, las der Trommler die Botschaft in Hochdeutsch für die Deutschen und in Serbisch für die Serben vor. In Gyönk, Ungarn, das Dorf meines Vaters, benutzte er Hochdeutsch oder Ungarisch. In Gyönk hat er Stadtpolizei Uniform getragen; in Beschka, kam er in seinem alltägichen Gewand.
Sie nannten ihn den Trommler, aber sein richtiger Titel war Kleinrichter, weil er Gehilfe vom Grossrichter im Gemeindehaus war. Er hat auch einzelne Botschaften vom Gemeindehaus ausgeliefert.
Der Trommler ist so ungefähr einmal in der Woche gekommen und ist hie und da stehengeblieben und trommelte, bis jeder herauskam. Dann rief er aus, daß ein Volksfest stattfinden wird, die Steuer fällig war, oder eine Versteigerung für ein Schaf oder für Holz, das im Gemeindewald gefällt war, stattfindet.
Mein Vater erinnert sich, daß oft nach seiner Verkündigung, man gesagt hat, “Im Falle des Regens, wird das am vorherigen Tag getan.*” Das war ein altes Sprichwort, die man wahrscheinlich vor 200-300 Jahre noch von Deutschland mitgebracht hat.
Diese Zeit, als man Spass machen konnte, war noch friedlich. Das letzte, woran meine Mutter sich von dem Trommler erinnert, war der Sommer 1944, gegen Ende des zweiten Weltkrieges. Der Trommler kam öfters, so zwei, dreimal in der Woche, um den Volksdeutschen zu sagen, daß sie nach Deutschland flüchten sollten. Das Dorf war halb Deutsch und bis zum Herbst hatten alle das Dorf verlassen.
* Im Dialekt: Im fall’s rend’, dann tu’ mr’s de Tog vorher.